St. Laurentius sehen und sterben!

Eine Nahtoderfahrung vorm Altar -  im östlichen Osnabrücker Land

Man mag mich voreingenommen nennen, da sich mein eigener Vorname „Lars“ als norddeutsch, maulfaule Verstümmelung auf den  Namen „Laurentius“ bezieht. Aber eigentlich waren meine Ansprüche an die kirchliche Trauung in der ev. Kirche „meines Heiligen“ in Schledehausen bei Osnabrück keine ungewöhnlichen: Eine schöne Trauung, ein glückliches Paar, ein gelungener Gesang von mir und anrührende Bilder von Britta. Als wir, mit Kamera und CD-Player bewaffnet, in die Kirche schreiten wollten, fragte die Küsterin überrascht: „Ist das ein CD- Player?“ Britta: „Ja“, „Wollen Sie den mit in die Kirche nehmen?“, „Ja“ , „Weiß der Pastor davon?“, „Äh, nein“, „Na dann viel Spaß!“ Man kann nicht sagen, wir wären so überhaupt nicht gewarnt worden. „Ruf unbedingt den Pastor noch mal an und sprich das Lied mit ihm ab!“ bat mich die Braut. Das ist nichts Ungewöhnliches und ich versprach es. Herr Pastor war aber leider nicht zugegen und ich bat sein Band fröhlich, mich zwecks Absprache des nämlichen, zurückzurufen. Niemand rief an und auch das beunruhigte mich nicht. Die meisten Pastoren sind sehr entspannt und souverän in der Ausübung ihres Amtes. Da treffen Profis auf Profis. Wir sprechen 10 Minuten vorher, alles ganz locker durch, wünschen uns gegenseitig viel Freude und danken einander für die schöne Kooperation – normalerweise.

Von Pastor Asbrock hörte ich im Vorfeld, dass er auch schon einmal einem alten Gemeindemitglied das letzte Geleit verweigerte, weil der dummerweise in einem Pflegeheim, knapp außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches starb… Verwaltungstechnische Detailfragen, dachte ich da noch und glaubte, dies habe nichts mit uns zu tun. Wir installierten uns. Dirk hatte die Videocam auf Stativ in Stellung gebracht. Britta wartete am Mittelgang auf den Einzug der Brautleute und ich saß, wie fast immer, dezent am Rand des Seitenflügels und harrte meines Auftrittes. Den hatte aber dann zunächst der Generalinquisitor, dargestellt von Pastor Karl Asbrock. Mit gesenktem Haupt stürmt er aus der Tiefe des Altarraumes hervor um forschen Schritts die Vierung zu durchmessen – aber halt! „Häresie“, „Ketzerei“ und „Teufelswerk“ – er entdeckt die Kameras und den Player, bleibt stehen, wendet hektisch den Kopf und Britta läuft ihm todesverachtend vor die Flinte. Sie grüßt freundlich. Doch kein „Guten Tag“. Nichts von „Grüß Gott, hier im schönen Schledehausen“ oder auch nur „Hallo, kann ich Ihnen helfen?“, nein, der Mann weiß, wie man zum Punkt kommt: „Er zeigt auf meinen Player und fragt: „Was ist das denn da?“ Ich wollte nicht zu sehr in technische Details gehen und sagte: „Ein Klavierplayback für meinen Gesang“. „Sie haben Konkurrenz, da will noch jemand singen!“, „Ich habe keine Konkurrenz, ist doch schön wenn gesungen wird“ und so weiter. Kürzen wir an dieser Stelle ein bisschen.

Die Videokamera durfte stehen bleiben „… die ist hässlich, kann aber da bleiben“, mein Player wurde mit den Worten: „Zwei Lieder, das geht nicht, das ist zu viel!“ ins Ungefähre verbannt (Hoho 2 Lieder! Ist das hier der Songcontest oder was?) . Und dann kam der Gipfel, unser Hirte (lat. Pastor)  schnauzte Britta an: „Sie können von der Empore fotografieren oder von hinten, ohne Blitz! Und eines sage ich Ihnen, kommen sie mir in den Altarraum, in meinen Bereich – dann erschlag ich sie!“ Letzteres ist, ja wirklich, ein wortwörtliches Zitat. Spulen wir noch einmal zurück und hören es erneut: „… dann erschlag ich Sie!“ Sprach’s und will von dannen stürzen. Nun, er kennt meine Frau nicht. Britta heftet sich an seine Fersen und bedeutet ihm, dass sie Jesu Botschaft irgendwie anders in Erinnerung hat, was nur zu mehr Erregung  und unschönen Worten führte, wie einem bissigen Kommentar, das es ihr wohl an „Humor“ fehle. Ich konnte Sie eben noch davon zurückhalten, sich mit dem Mann richtig in den Ring zu begeben, es war ja nicht unsere Trauung. Das Brautpaar begrüßte er mit den Worten: „Jetzt aber mal Zackzack, wir wollen anfangen!“.

Leute, ich habe mal ach, Geschichte studiert und in meiner Erinnerung war das letzte Mal, dass einer von Glaubensbrüdern auf den Stufen des Altares erschlagen wurde, war Thomas Becket 1170 in Canterbury und die Nummer hatte eine lange politische Vorgeschichte. Die marodierenden Söldnerherden im Dreißigjährigen Krieg zählen nicht, da gab es eine martialische Gruppenddruck und bösen Hunger.

Das führt uns zu mehreren Fragen: Hat der Kirchenkreis Georgsmarienhütte (zu welchem Schledehausen gehört) ein eher mittelalterliches Verständnis von Seelsorge? Hat mal jemand Pastor Asbrock gefragt, ob er auch das NEUE Testament gelesen hat, oder ob es bei ihm zuhause nur die bluttriefenden Bibelausgaben von vor 30 n. Chr. gab? Macht so ein Zyniker eigentlich Kinder- und Jugendarbeit? Was sagt eine ev. Landeskirche zu einem Mann, der Hochzeitsgäste salopp mit dem Tode bedroht und munter weiterpredigt. Während die Landesbischöfin wegen einer folgenlosen Weinfahrt weitreichende Konsequenzen zog?
Was den Kirchenkreis GM-Hütte angeht, wissen wir es besser. Wir waren kürzlich in Bissendorf, in Iburg, in Belm Icker, in GM-Hütte, in Dissen und in Wellingholzhausen, da predigen ganz famose Menschen. ER hat sich während der Predigt noch entblödet zu sagen: „Es sind zu viele Statisten hier, da kommt man ganz durcheinander!“ Wohlgemerkt, meine „Konkurrenz“ war eine Dame aus dem familiären Umfeld der Braut und ihr (christlicher) Gesang ein emotionales, persönliches Geschenk. Dann wurde uns noch kundgetan: Alles im Rahmen der Trauung, außer des Segens, sei dritt- und viertrangig und –klassig. Nun ja, heißt es nicht in unserer heiligen Schrift, Sprüche Salomos Kap. 16, Vers 18: „Hochmut kommt vor dem Fall?“.

Das wirklich Tragische ist: Der Mann könnte Klasse haben. Er ist ein Predigttalent. Ein Radikalinski vielleicht und möglicherweise ein Eiferer, aber stilistisch viel besser als das. Er müsste kein durchgeknallter Giftzwerg sein, man spürt noch den wachen Geist, der ihn einmal erfüllt haben muß. Was hat ihn so verbittert und hasserfüllt gemacht, gegen die Außenwelt? Helft ihm!  Schenkt ihm eine Mediation! Dona nobis pacem! Ach ja, wir haben dann beide gesungen, Britta hat Fotos gemacht, es hat keinen Schwefel geregnet und die Sintflut im Osnabrücker Land war zwei Wochen eher – Puh! Schöne Hochzeit sonst! Also: Friede sei mit Dir, Bruder in Christo, mal schauen, wie Du auf dem Video rüberkommst.

L.